Aus medizinischer Perspektive wird Gehörlosigkeit über den Grad des Hörverlustes definiert: Gehörlos ist, wer im Bereich zwischen 125 und 250 Hz einen Hörverlust von mehr als 60 dB sowie im übrigen Frequenzbereich von mehr als 100 dB hat. Eine hochgradige Schwerhörigkeit liegt vor, wenn der mittlere Hörverlust zwischen 70 und 100 dB beträgt. Bei Hörverlusten zwischen 85 und 100 dB spricht man auch von „Resthörigkeit“ oder „an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit“.
Aus Sicht der Gehörlosengemeinschaft, d.h. der Betroffenen selbst, wird Gehörlosigkeit nicht über fehlendes Hörvermögen definiert, sondern sprachlich und kulturell. Gehörlose sind Hörbehinderte, die vorzugsweise in Gebärdensprache kommunizieren und sich der Gebärdensprachgemeinschaft und ihrer reichen Kultur zugehörig fühlen.
Wie viele Gehörlose gibt es in Deutschland?
In der Bundesrepublik Deutschland leben ca. 80.000 Gehörlose. Nach Angaben des Deutschen Schwerhörigenbundes gibt es ca. 16 Millionen Schwerhörige. Ca. 140.000 davon haben einen Grad der Behinderung von mehr als 70 % und sind auf Gebärdensprach-Dolmetscher angewiesen.
Eine tabellarische Übersicht über schwerbehinderte Menschen mit Ausweis finden Sie hier (Sprach- oder Sprechstörungen,Taubheit, Schwerhörigkeit, Gleichgewichtsstörungen werden gemeinsam erfasst).
Was sind die Ursachen für Gehörlosigkeit?
Ca. 15 % der Gehörlosen haben ihre Gehörlosigkeit ererbt. In den meisten Fällen ist die Gehörlosigkeit aber erworben. Vor der Geburt kann der Fötus aufgrund einer Viruserkrankung der Mutter (z.B. Röteln oder Toxoplasmose) oder durch Medikamente geschädigt worden sein. Während der Geburt können Sauerstoffmangel oder mechanische Geburtstraumen Gehörlosigkeit verursachen. Gründe für einen späteren Hörverlust sind häufig Gehirnhautentzündungen, Schädelbrüche, Virus-Infektionen wie Mumps oder Masern, chronische Mittelohrentzündungen oder bestimmte Medikamente. In vielen Fällen bleibt jedoch die Ursache der Gehörlosigkeit trotz des medizinischen Fortschritts unbekannt.
Können Gehörlose mit Hörgeräten oder Cochlea Implantaten (=CI) wieder hören?
Manche Gehörlose tragen Hörgeräte, um das geringe Resthörvermögen weitergehend zu nutzen. Fast immer können dann laute Geräusche, z.B. Autohupen oder Rufe, wahrgenommen werden. Jedoch ist kaum jemals dadurch ein Sprachverständnis oder genaueres Hören, z.B. Unterscheidung von Musikinstrumenten, gegeben. Mit Hörgeräten kann also kein für Hörende gewohntes Hören oder gar Sprachverständnis erwartet werden. Die Hörgeräteanpassung erfolgt durch Hörgeräteakustiker und folgt bzgl. der Kostenübernahme durch die Krankenkassen den oft eingeschränkten Regeln der Hilfsmittelverordnung.
Cochlea Implantate dagegen sind ein- oder beidseitig i.R. einer Operation implantierte Elektroden, die außen am Kopf mit Sender und Empfänger verbunden sind. Diese übertragen mit ihren Möglichkeiten einen Teil der für Hörende gewohnten Geräusche. Diese können vom Träger in unterschiedlichem Maße umgesetzt und verstanden werden, insbesondere bei Spätertaubten sind öfters gute Erfolge zu erzielen. Vor allem Frühertaubte jedoch können meistens nur einen Teil der Geräusche und Sprache erkennen und verstehen, sodass die Träger_innen trotzdem stark schwerhörig oder gehörlos bleiben.
Insofern kann damit kein umfassendes Hörvermögen und Sprachverständnis, wie Hörende es kennen, erzielt werden. In der Folge bleibt die kommunikative Orientierung der Implantierten öfters unsicher, verbunden mit vielerlei Unsicherheiten im Alltagsleben. Ebenso sind bzw. bleiben viele Implantierten in ihrer Identität als Schwerhörige oder Gehörlose unklar bzw. unsicher.
Daher empfiehlt der Deutsche Gehörlosen-Bund e.V. auf Basis der Lebenserfahrung der Mitglieder_innen, dass auch Hörgeräte- und CI-Träger_innen frühzeitig mit allen kommunikativen Möglichkeiten unter gleichberechtigter Verwendung der Gebärdensprache im Sinne der Totalen Kommunikation gefördert werden.
Wie können Gehörlose die Haustürklingel, Telefon, Fax, das Weinen des Babys und den Wecker wahrnehmen?
Es gibt Signalanlagen, die akustische Geräusche in Licht- oder Vibrationssignale umwandeln. Dabei unterscheiden sich je nach Signalquelle die Blinkzeichen bzw. Vibrationsrhythmen. Die Lichtsignalanlagen werden über die Steckdosen angeschlossen, die Vibrationsempfänger am Körper getragen.
Was müssen Hörende in der lautsprachlichen Kommunikation mit Gehörlosen beachten?
Wenn Hörende die Gebärdensprache nicht beherrschen, erfordert die Kommunikation, dass Gehörlose das Gesprochene vom Mund des Kommunikationspartners absehen müssen. Dieses „Lippenlesen“ ist sehr anstrengend und führt häufig zu Missverständnissen, denn nur etwa 30 % des Gesprochenen kann man unter optimalen Bedingungen auf dem Mund wahrnehmen – 70 % müssen erraten werden!
Wesentliche Kommunikationsregeln sollten sie deshalb in der lautsprachlichen Kommunikation mit Gehörlosen beachten:
- Schauen Sie Gehörlose beim Sprechen an und halten Sie Blickkontakt.
- Achten Sie darauf, dass genug Licht auf Ihr Gesicht fällt und Ihr Mund nicht verdeckt ist.
- Sprechen Sie langsam und deutlich – aber sprechen Sie nicht lauter als üblich. Zu lautes Sprechen verzerrt die Gesichtzüge und erschwert das Absehen.
- Benutzen Sie eine deutliche Mimik und Gestik sowie natürliche Gebärden.
- Verwenden Sie kurze, klare Sätze.
- Sprechen Sie möglichst Hochdeutsch, denn das Absehen von Dialekten ist noch schwieriger.
- Möchten Sie den Gehörlosen ansprechen, können Sie seine Aufmerksamkeit durch Wink-Bewegungen der Hand auf sich ziehen. Scheuen Sie sich nicht, ihn ggf. auch leicht an der Schulter oder am Arm zu berühren, oder das Licht ein- und auszuschalten – Gehörlose sprechen sich auf diese Weise an und werden das nicht seltsam finden.
- Schreiben Sie auf.
- Lernen Sie Gebärdensprache.
Was ist gehörlos?
Als gehörlos werden Personen bezeichnet, die hörbehindert sind und vorwiegend in Gebärdensprache kommunizieren. Wegen der Hörbehinderung können sie nur bedingt auf natürlichem Wege sprechen lernen. Für Außenstehende kann ihre Sprechweise daher oft fremd klingen und kann schwer zu verstehen sein.
Bei der Hörschädigung wird nach dem Grad des Hörverlustes unterschieden:
- Taubheit: Der Hörverlust beträgt im Bereich zwischen 125 und 250 Hz mehr als 60 dB sowie mehr als 100 dB im übrigen Frequenzbereich.
- hochgradige Schwerhörigkeit: Dieser Grad der Behinderung liegt vor, wenn der mittlere Hörverlust zwischen 70 und 100 dB beträgt. Bei Hörverlusten zwischen 85 und 100 dB spricht man auch von „Resthörigkeit“ oder „an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit“.
- mittelgradige Schwerhörigkeit: In diesem Fall bewegt sich der Hörverlust zwischen 40 bis 70 dB. Hier ist die Möglichkeit zur Sprachaufnahme über das Ohr noch vorhanden, doch treten bei der Teilnahme an Gesprächen je nach Höhe des Hörverlustes Verständnisprobleme auf, die auch von modernen Hörgeräten nicht vollständig behoben werden können.
- leichtgradige Schwerhörigkeit: Der Hörverlust im besseren Ohr beträgt im Hauptsprachbereich durchgehend 25 bis 40 dB. Die betroffene Person hat immer noch genug Hörvermögen, um Sprache über das Ohr aufzunehmen und einer normalen Unterhaltung bezogen auf das Verständnis zu folgen.
Gehörlose Menschen sind in der Regel hochgradig schwerhörig oder taub.
Das sogenannte „Mundablesen“ führt häufig zu Missverständnissen, denn nur etwa 30% kann abgesehen, aber 70% müssen erraten werden.
Untereinander verständigen sich Gehörlose in der Regel in der Deutschen Gebärdensprache, einem visuellen Sprachsystem mit eigener Grammatik. Die Gebärdensprache ermöglicht Gehörlosen eine entspannte und verlässliche Kommunikation. Diese Sprache ist aber noch mehr: Sie bildet die Grundlage einer eigenen Sprachgemeinschaft und Kultur, zu der sich auch Hörende, die die Gebärdensprache beherrschen, zugehörig fühlen. Der Deutsche Gehörlosen-Bund und seine Mitgliedsorganisationen verstehen sich auch als ein Forum für diese Gebärdensprachgemeinschaft.
Tipps für die Verständigung
Kommunikation zwischen Gehörlosen und Hörenden
Was können Gehörlose tun?
- Informieren Sie den hörenden Gesprächspartner, z.B.: „Ich bin gehörlos, bitte sprechen Sie langsam und deutlich. Ich muß von den Lippen absehen.“
- Sprechen Sie selbst langsam und deutlich. Benutzen Sie Gestik und Gebärden. Sie sind damit auch Vorbild für Hörende.
- Fragen Sie nach, wenn Sie etwas nicht verstanden haben.
- Sagen Sie, was Sie verstanden haben.
Was können Hörende tun?
- Sehen Sie Gehörlose beim Sprechen an.
- Sprechen Sie langsam und deutlich – aber nicht laut.
- Benutzen Sie kurze, klare Sätze.
- Benutzen Sie eine deutliche Mimik und Gestik sowie natürliche Gebärden (z.B. für „essen“ oder „schlafen“).
- Schreiben Sie wichtige Stichworte auf.
Viele Volkshochschulen oder Gehörlosenvereine bieten Gebärdensprachkurse an.
Gibt es ein Gerät in Form eines Smartphones oder eBooks, das das gesprochene Wort auf einem Display in geschriebener Form wiedergibt?
Bisher gibt es kein Gerät, welches das gesprochene Wort zuverlässig auf einem mobilen Endgerät in Schriftsprache wiedergibt. Bei Smartphones kann man die Diktierfunktion verwenden, hier ist jedoch wenig Flexibilität möglich, da man in das Endgerät sprechen muss.
Es gibt eine amerikanische App, namens AVA. Diese wurde jedoch für das Englische programmiert, wodurch es zu falschen Audiotranskriptionen im Deutschen kommen kann. Es gibt Bemühungen, die App für den deutschsprachigen Raum zu programmieren. Derzeit gibt es eine Beta Version. Einen Artikel finden Sie hier.
Der Begriff “taubstumm”
Leider kommt es immer wieder vor, dass Hörende aus Unwissenheit den Begriff „taubstumm“ benutzen. Auch in den Medien taucht das Wort „taubstumm“ immer wieder auf. Der Deutsche Gehörlosen-Bund e.V. weist stets darauf hin, dass der Begriff „taubstumm“ veraltet ist und von vielen gehörlosen Menschen als abwertend und diskriminierend empfunden wird. Gehörlose Menschen sind taub aber keinesfalls stumm, da sie in der Lage sind, sich in Gebärdensprache auszudrücken und auch zu sprechen. Es werden daher die Bezeichnungen „gehörlos“ oder „taub“ verwendet. Die Bezeichnung „taub“ (ohne stumm) wird immer beliebter, da es dem englischen Wort „Deaf“ entspricht und im Gegensatz zu „gehörlos“ keine Negativ-Beschreibung darstellt. Wir sind sehr bemüht, die Öffentlichkeit darüber aufzuklären.