Kinder- und Jugendarbeit im Deutschen Gehörlosen-Bund seit 1990
Entwicklung nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten
Fachausschuss „Jugend“
Am 23. 01.1999 wurde im Deutschen Gehörlosen-Bund ein eigener Fachausschuss (FA) „Jugend“ gegründet. Präsident Ulrich Hase und Vizepräsidentin Gerlinde Gerkens wollten mit diesem Schritt eine Wiederbelebung der Jugendarbeit innerhalb des Deutschen Gehörlosen-Bundes erreichen.
Die ersten Mitarbeiter im Fachausschuss waren Stefan Goldschmidt, Achim Zier und Markus Meincke. Im Februar 2000 kamen im Rahmen einer Umstrukturierung auch zwei weibliche Mitglieder dazu: Susanne Pufhan und Doris Bönisch. Vorsitzender ist bis heute Stefan Goldschmidt.
Schwerpunktaufgaben der FA Jugend sind der Auf- und Ausbau eines bundesweiten Jugendnetzes, die Planung und Durchführung von Veranstaltungen für gehörlose Kinder- und Jugendliche und die Zusammenarbeit mit den Jugendbeauftragten der Landesverbände der Gehörlosen und anderen aktiven Jugendorganisationen. Darüber hinaus gibt es im Bereich Jugend eine Zusammenarbeit mit internationalen Gehörlosenorganisationen, z.B. der World Federation of the Deaf (WFD) und der European Union of the Deaf (EUD). So wird auch jungen Gehörlosen aus Deutschland die Teilnahme an Jugendcamps mit internationaler Beteiligung angeboten.
Ziel der Arbeit des Fachausschusses ist vor allem die Förderung der Persönlichkeit, die Identitätsbildung und die Stärkung des Selbstvertrauens bei gehörlosen Jugendlichen.
Jugendkonferenz/Jugendseminar
1999 wurde vom Deutschen Gehörlosen-Bund eine bundesweite Jugendkonferenz organisiert. Dieses bundesweite Treffen für Aktive aus der Gehörlosen-Jugendarbeit fand im Jahr 2002 bereits zum vierten Mal statt (inzwischen umbenannt in „Jugendseminar“)
Jugendcamp
1997 führte der Gehörlosenverband München und Umland (GMU) ein Jugendcamp für Gehörlose durch. Ein Jahr später wurde das Camp zusammen mit der Initiative Gehörlosenjugend München (IGJ) wiederholt. Seit dem Jahr 2000 wird das Jugendcamp erfolgreich als bundesweites Angebot vom Deutschen Gehörlosen-Bund veranstaltet, wobei bis heute eine enge Zusammenarbeit mit der IGJ besteht.
Das zweiwöchige Camp während der Sommerferien steht unter dem Motto „Bildung, Sprache, Kultur, Natur und Erlebnis“. Die gehörlosen Jugendlichen im Alter von 15-19 Jahren werden ausschließlich von gehörlosen Betreuerinnen und Betreuern begleitet, was ihnen eine wichtige Identifikationsmöglichkeit bietet. Das Ziel der Maßnahme liegt in der Erhöhung der sozialen Kompetenzen, z.B. Steigerung des Selbstvertrauens und des Gemeinschaftsgefühls und Erlernen von demokratischen Meinungsaustauschund Kritikfähigkeit. Darüber hinaus bietet das Camp zahlreiche Freizeitaktivitäten und ist für alle ein unvergessliches Erlebnis.
Der erste Leiter des Jugendcamps war Tom Bierschneider (1997 verstorben), dann folgte Stefan Goldschmidt (1998-2002). Als Nachfolger ist Markus Meincke vorgesehen.
Kindercamp
Im Jahr 2001 wurde vom Deutschen Gehörlosen-Bund erstmals auch ein Kindercamp für Gehörlose angeboten, da es bisher kaum Ferienfreizeiten für gehörlose Kinder im Alter von 10-14 Jahren gibt. Betreut werden die Kinder von pädagogisch ausgebildeten Gehörlosen, die der Gruppe neben Spaß und Spiel auch Kreativität, Kommunikationsfähigkeit und soziales Verhalten vermitteln.
Die erste Leiterin des Kindercamps war Doris Bönisch, im Jahr 2002 übernahm Michaela Grosche die Leitung.
Gründung der Deutschen Gehörlosen- Jugend e.V.
Innerhalb des Deutschen Gehörlosen- Bundes gibt es Überlegungen, die Jugendarbeit durch die Gründung eines Gehörlosen-Jugendverbandes zu vervollständigen. Während einer Arbeitstagung im Jahr 2003 soll dieser Vorschlag unter den in der Gehörlosen- Jugendarbeit Aktiven diskutiert werden. Hintergrund ist die Erweiterung der Mitwirkungsmöglichkeiten gehörloser Jugendlicher in ihrem Verband.
Am 3. Januar 2005 wurde die DGJ als gemeinnütziger Verein anerkannt. Obwohl die DGJ hinsichtlich der Inhalte ihrer Arbeitsweise und ihrer Interessengebiete eine möglichst große Selbstständigkeit erstrebt, erkennt die DGJ aufgrund des Bedarfes der Stabilisierung rechtlicher Strukturen und der Finanzen die Notwendigkeit des Anschlusses an den DGB.
Am 15.10.2005 wurde bei der Generalversammlung des Deutschen Gehörlosen-Bundes e.V. in Bayreuth von den Teilnehmern die offizielle Aufnahme des DGJ als ordentliches Mitglied begrüßt. Die DGJ ist jetzt die eigenständige Jugendorganisation des DGB.
Gehörlosen-Jugendarbeit in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) bis 1990
Entwicklung der Gehörlosen-Jugendbewegung in Deutschland
Die Jugendarbeit im Deutschen Gehörlosen-Bund begann Mitte der 50er Jahre. Maßgeblich beteiligt daran war Gottfried Hock, der damals auch 1. Vorsitzender des Landesverbandes der Gehörlosen in Bayern war. Gottfried Hock wurde dann vom Präsidium des Deutschen Gehörlosen-Bundes beauftragt, bundesweite Angebote für gehörlose Jugendliche zu machen. Über 20 Jahre lang organisierte er Jugendfahrten in verschiedene Länder der Erde.
Unvergessen sind auch die berühmten Sommer- und Winterjugendlager sowie die Nachwuchslehrlehrgänge in Bischofsheim/Rhön. Gottfried Hock gab den gehörlosen Jugendlichen Mut, im Verein oder Verband mitzuarbeiten. Bei den Nachwuchslehrgängen wurden Kenntnisse für die Vereins- und Verbandsarbeit vermittelt (z.B. Buchführung).
Gottfried Hock wurde allgemein als „Vater der Gehörlosenjugend“ bezeichnet. Unterstützt wurde er seit Anfang der 60er Jahre von Werner Kliewer, der vom Deutschen Gehörlosen-Bund 1969 offiziell mit dem Amt des „Jugendreferenten“ betraut wurde. Als sich Gottfried Hock Ende der 70er Jahre aus Altersgründen ganz aus der Jugendarbeit zurückzog, führte Werner Kliewer die Aufgabe bis 1983 fort. Im Laufe der Zeit wurden Aktivitäten für gehörlose Jugendliche vermehrt auch durch den Deutschen Gehörlosen-Sportverband angeboten. Wichtige Impulse dazu gaben die Verbandsjugendwarte Josef Nolte, Gottfried Weileder, Harry Förster, Winfried Wiencek und Rudolf Sailer. Im Jahr 1979 wurde auf Initiative von Rudolf Sailer die „Deutsche Gehörlosen-Sportjugend“ (dgsj) als eigenständige Jugendorganisation des Gehörlosen- Sportverbandes gegründet. Später wurde dort die Stelle des hauptamtlichen Jugendsekretärs geschaffen, die als erster Bengt Förster inne hatte. Seine Nachfolgerin Marina Kleefuß ist bis heute im Amt.
Gehörlosen-Jugendarbeit in der DDR bis 1990
Chronik über die Jugend-Gehörlosenbewegung in der ehem. Deutschen Demokratischen Republik
Schon vor der Gründung der DDR bestanden die Gehörlosen-Jugendgruppen in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone und zwar in Berlin-Ost, Leipzig, Dresden, Gotha, Halle/Saale, Ludwiglust und Eberswalde. Es waren die Freie Deutsche Jugend-Gehörlosengruppe und Junge Pioniere-Schulgruppe in den Gehörlosenschulen.
Der Zentralrat der Freien Deutschen Jugend (FDJ) bildete ein Gehörlosenausschuss unter der Leitung des hörenden Sekretärs Peter Möbis. Der Gehörlosenausschuss organisierte die eigenständige Gehörlosen-Jugendarbeit in allen Gehörlosenschulen in Berlin, Leipzig, Dresden, Halle/Saale, Ludwiglust, Eberswalde, Gotha und auch in Erfurt, Schleiz und später in Güstrow. Einige gehörlose Sportfunktionäre wurden zu hauptamtliche Pionierleiter in den Gehörlosenschulen eingestellt. Ebenso wurden sie auch in den Gehörlosenschulen in Berlin, Leipzig und Halle/Saale. Als Sportlehrer berufen. Es waren Karl Raschke in Berlin, Erhard Kästner in Leipzig und Hans Lange in HalleiSa. Und andere. Die Jugendarbeiten in den Gehörlosenschulen wurden vom Staat finanziell unterstützt. Ebenso auch die Sportjugend in den Gehörlosenschulen wurde vom Staat gefördert.
Die gehörlosen Jugendlichen nahmen an den Ferienlagern, Wanderungen, Jugendspartakiaden u. a. teil. Einige davon wurden in den Schulungen der FDJ bzw. der Sportgemeinschaften zu den Funktionären ausgebildet. Sie haben auch bei den Vorbereitungen zur Gründung des ersten Gehörlosenverbandes in der DDR aktiv mitgeholfen. Dann wurden die jugendlichen FDJler und Sportler in ihren Heimatorten zum Mitarbeiter in den Kreisvorständen des Allgemeinen Deutschen Gehörlosenverbandes gewählt. Unter dem Dach des Allgemeinen Deutschen Gehörlosenverbandes wurden für gehörlose Jugendliche spezielle Angebote gemacht. Der Zentralvorstand beschloss unter Leitung von Präsident Günther Wöller 1957 die Einrichtung von 4 Arbeitsgruppen. Die Arbeitsgruppe 1 „Kultur und Schulung“ erhielt dabei den Auftrag, auch die Jugendarbeit besonders zu fördern.
Umgesetzt wurde dieses Ziel z.B. durch Freizeit- und Weiterbildungsangebote, Theatergruppen und Ferienlager. Auch im sportlichen Bereich gab es Angebote für gehörlose Jugendliche.
Besondere Höhepunkte, mit tatkräftiger Unterstützung von Seiten der DDR-Regierung und FDJ (Freie Deutsche Jugend) fanden erste Jugendveranstaltungen, eingebettet mit jugendspezifischen, sportlichen und kulturellen Angeboten statt. Das waren: 1984 in Bad Saarow bei Berlin, 1986 in Oberwiesenthal und 1989 in Erfurt.