Stellungnahme 01/2014 – Der Deutsche Gehörlosen-Bund e.V., die bundesweite Interessenvertretung Gehörloser und anderer Menschen mit Hörbehinderung, drückt hiermit sein Unverständnis gegenüber einer wiederkehrenden falschen Darstellung der Gebärdensprache in zahlreichen Medien aus und bedauert zutiefst die in der Berichterstattung der letzten Wochen erneut deutlich werdende gesellschaftlich verbreitete Unkenntnis über die Deutsche Gebärdensprache und ihre NutzerInnen.

Die Tatsache, dass in der medialen Öffentlichkeit gravierende Falschaussagen über Gebärdensprache getroffen werden, ist einmal mehr Zeichen dafür, dass die Bewusstseinsbildung über die Belange von Menschen mit Behinderungen, wie sie auch in der von Deutschland 2009 ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention festgeschrieben ist, sich noch nicht gesellschaftlich etabliert hat. Hier sind zukünftig weitere Anstrengungen vieler AkteurInnen vonnöten, auch im Hinblick auf Aufklärungsarbeit über Gehörlosigkeit und Gebärdensprache – eine der Aufgaben, der sich der Deutsche Gehörlosen-Bund e.V. vorrangig widmet.

Anlass für diese Stellungnahme ist die mediale Berichterstattung in Zusammenhang mit dem Projekt der Heimsonderschule Haslachmühle „Flanke, Kopfball, Tor. Fußball in Gebärden“. In diesem Projekt haben die SchülerInnen der Einrichtung, die auf Menschen mit Hör-Sprach- und zusätzlich geistiger Behinderung ausgerichtet ist, aus Anlass der aktuellen Fußball-Weltmeisterschaft Namensgebärden für die Spieler der Deutschen Elf gesucht sowie weitere Gebärden aus dem Bereich Fußball abgestimmt und zusammengestellt.
Dieses sehr begrüßenswerte und interessante Projekt hat in der Medienlandschaft vielerorts Beachtung gefunden (so z.B. in der tagesschau und in diversen Pressemeldungen), wobei zu unserem großen Bedauern mehrfach Sachverhalte zum Thema Gebärdensprache falsch dargestellt wurden. Dass in den Medien im diesem Zusammenhang etwa verbreitet wird, die Gebärdensprache sei eine Sprache, „die aus 1500 Gebärden“ bestünde und dass nun Dank des Projekts „zu den bisherigen Gebärden […] jetzt insgesamt etwa 250 spezielle Fußballgebärden hinzugekommen“ seien, ist eine Beleidigung der Deutschen Gebärdensprache und ihrer NutzerInnen.

Und selbst die Aktion Mensch – eine der größten Stiftungen und Förderer für Menschen mit Behinderung, die das Projekt als Kooperationspartnerin unterstützt hat – schreibt auf ihrer Internetseite fälschlicherweise, dass es in der „Deutschen Gebärdensprache, mit der schwerhörige oder gehörlose Menschen kommunizieren, […] bei rund 20.000 Gebärden nur sehr wenige Gebärden zum Thema Fußball“ gebe. Solche Aussagen, die jeglicher Grundlage entbehren und schlichtweg falsch sind, sollte es im 21. Jahrhundert, in dem Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderung groß geschrieben wird, nicht mehr geben.

Fakt ist: Die Deutsche Gebärdensprache (DGS) ist eine vollwertige und eigenständige, natürliche Sprache, die über alle linguistischen Eigenschaften einer Sprache verfügt und in Deutschland seit 2002 auch als eigenständige Sprache anerkannt ist. Wie die Deutsche Lautsprache gibt es auch in der DGS Dialekte, also regionale Varianten, und Neologismen. Zum Umfang des Wortschatzes einer Sprache sind exakte Angaben unmöglich, unter anderem, „weil ständig Wörter neu gebildet und aus anderen Sprachen entlehnt werden.“ So auch in der Deutschen Gebärdensprache. Gebärdensprachen haben sich, wie auch die verschiedenen Lautsprachen auf der Welt, natürlich entwickelt. Sie wurden nicht von jemandem „erfunden“. Vielmehr gab es schon immer gehörlose Menschen, deren Muttersprache die Gebärdensprache ist, und die eine Sprachgemeinschaft bilden, in der diese lebendige Sprache entstanden ist und sich – wie Lautsprachen auch – stetig weiterentwickelt. Mittels Gebärdensprache kann man alles ausdrücken, sowohl konkrete Dinge als auch abstrakte Gedanken. Selbstverständlich enthält die DGS auch zahlreiche Gebärden zum Themenbereich Fußball. Ganz nebenbei bemerkt: Die Fußball-Nationalmannschaft der Gehörlosen war schon mehrfach Weltmeister (zuletzt 2008) und auch bei der Europameisterschaft 2003 holte die deutsche Nationalelf den Titel!

Die Kommunikation der SchülerInnen der Heimsonderschule Haslachmühle basiert nach eigenen Aussagen der Schule auf einer Gebärdensammlung, die etwa 1.500 Gebärden umfasst – was für eine Verständigung im Alltag durchaus genügt. Wie die Gebärdensprachdolmetscherin Laura M. Schwengber, die an der Umsetzung des Projekts ebenfalls beteiligt war, auf ihrer Internetseite in einer kritischen Stellungnahme ausführt, haben die SchülerInnen dort keinen Zugang zur Deutschen Gebärdensprache, weshalb „ihnen die bereits vorhandenen Gebärden aus dem Bereich Fußball offensichtlich nicht bekannt“ waren. Die SchülerInnen hätten, so Schwengber weiter, ihr eigenes Vokabular, das auf der Gebärdensammlung „Schau doch meine Hände an“ basiert, um ihre eigenen Gebärden für Fußballbegriffe ergänzt, um „eine Grundlage für ihre Gespräche über Fußball [zu] schaffen“. Die verwendete Gebärdensammlung, die keine eigene Grammatik beinhaltet, sei jedoch nicht zu verwechseln mit der Deutschen Gebärdensprache (DGS).

Weiterhin legt der Deutsche Gehörlosen-Bund e.V. großen Wert auf die korrekte Unterscheidung zwischen den Begriffen Gebärden und Gesten, die von vielen Medien leider oftmals nicht gemacht wird. Die Bestandteile des Wortschatzes der Deutsche Gebärdensprache heißen „Gebärden“; als „Gesten“ werden in der Regel Bewegungen des Körpers bzw. von Körperteilen bezeichnet, die das gesprochene Wort begleiten oder ersetzen. Auch wenn einige Gebärden der Gebärdensprache einen gestischen Ursprung haben, kann hier nicht von Gesten gesprochen werden. Diese Missdeutung hat leider häufig die negative Konnotation einer Herabstufung der Gebärdensprache und wird von der Sprachgemeinschaft als diskriminierend empfunden.

Der Deutsche Gehörlosen-Bund e.V. fordert eine sachlich korrekte und gut recherchierte Darstellung der Gebärdensprache in der Berichterstattung der Medien. Eine Bewusstseinsbildung über Gebärdensprache und ihre zentrale Bedeutung für die Umsetzung von Inklusion von Menschen mit Hörbehinderung, wie sie in der UN-Behindertenrechtskonvention formuliert ist, stellt einen unverzichtbaren Bestandteil einer aufgeklärten und inklusiven Gesellschaft dar. Die Medien sollten sich hierbei ihrer mächtigen Rolle bewusst sein und verantwortungsvoll damit umgehen.
Der Deutsche Gehörlosen-Bund e.V. steht in diesem Zusammenhang gerne als Informant und Ansprechpartner zur Verfügung.

» Die komplette Stellungnahme finden Sie hier.
» Die Stellungnahme der Heimsonderschule Haslachmühle finden Sie hier.

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